Dr. Julia Trautwein

Vom Studium der Agrarwirtschaft bis hin zur Promotion – du hast deine komplette akademische Ausbildung an der TH Bingen gemacht. Wie hat denn alles begonnen?
Weil ich nach der Schule erst einmal in die Berufswelt schnuppern wollte, habe ich eine Ausbildung zur Pferdewirtin gemacht. Ich wusste da aber schon, dass ich nach meiner Ausbildung studieren möchte. Mein Ausbildungsbetrieb unterhielt eine Außenwirtschaft und so war der Bezug zur Landwirtschaft für mich schon gegeben. Mir war der Praxisbezug sehr wichtig; ich wollte dann unbedingt an einer angewandten Hochschule Agrarwirtschaft studieren. Mein damaliger Freund hatte in dieser Zeit in der Nähe von Bingen einen Ausbildungsplatz gefunden. Das war wie eine glückliche Fügung, weil dann Bingen auch für mich als Studienstandort feststand.
Das war der Anfang. Aber der Weg zur Promotion war sicherlich lang. Wie sah der Weg denn konkret aus?
Ich habe mein Studium der Agrarwirtschaft 2003 begonnen und 2006 abgeschlossen – damals noch mit einem Diplom. Anschließend habe ich begonnen, im Team um Professor Georg Dusel als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Forschungsprojekten mitzuarbeiten. Als dann die Umstellung vom Diplom auf den Bachelor und Master kam, habe ich mich entschieden, den Masterabschluss im Fach „Landwirtschaft und Umwelt“ anzuschließen. Der Gedanke, auch zu promovieren, hat sich tatsächlich durch die Forschungsarbeit im „Team Dusel“ entwickelt. Ursprünglich wollte ich nach dem Diplom direkt zurück in die Praxis. Aber dann habe ich für die Forschung Feuer gefangen und mein Schwerpunkt hat sich verschoben. Die Promotion war letztlich die logische Konsequenz.
Du hast Deine Promotion in kooperierender Form gemacht. Kannst Du uns erklären, was das ist?
Grundsätzlich befähigt der Masterabschluss der Technischen Hochschule zur Promotion. Allerdings hat die TH noch kein eigenes Promotionsrecht. Das heißt, ich musste mir einen Professor von einer Hochschule mit Promotionsrecht suchen, der zusammen mit meinem Betreuer an der TH Bingen meine Doktorarbeit begleitete und mich dann auch prüfte.
Ist es nicht aufwendig, sich noch einen „zweiten Doktorvater“ zu suchen?
Das würde ich nicht als aufwendig einschätzen. Für einen potentiellen Doktorvater oder eine Doktormutter ist ein ganz konkretes Forschungsvorhaben, das vielleicht sogar schon finanziert ist, eine interessante Sache. Man stößt da also auf offene Ohren. Auch für die Universitäten ist die angewandte Forschung wichtig. Die kooperierende Promotion ist ein gelungenes Beispiel, wie sehr die Forschungslandschaft durch die Zusammenarbeit von Universität und angewandter Hochschule gewinnt.
"Die kooperierende Promotion ist ein gelungenes Beispiel, wie sehr die Forschungslandschaft durch die Zusammenarbeit von Universität und angewandter Hochschule gewinnt".
- Dr. Julia Trautwein

Deine Forschungsarbeit findet innerhalb einer Projektgruppe an der TH Bingen statt, aus der auch andere Promovendinnen hervorgehen. Du hattest ja schon vom „Team Dusel“ gesprochen. Was macht Ihr genau?
Wir sind Tierärztinnen und Agraringenieurinnen, die zusammen in den Bereichen Tierhygiene, Tiergesundheit und Tierernährung forschen. Oftmals arbeiten wir auch in Kooperation mit anderen Hochschulen für Unternehmen oder institutionelle Stellen wie dem Land Rheinland-Pfalz oder im Auftrag der Europäischen Union. Wie setzen unseren Schwerpunkt auf konkrete Fragestellungen, die die Landwirtschaft stellt.
Und welche Fragestellungen sind das?
Zum Beispiel, wie die Landwirtschaft mit stickstoff- und phosphorreduzierten Futtermitteln Nutzvieh bedarfsgerecht versorgen und gleichzeitig die Umweltbelastungen reduzieren kann. Vielerorts ist das intensive Verwerten von Wirtschaftsdünger, also Gülle, ein großes Problem. Gerade für unsere heimischen Gewässer. Die Landwirte können das durch die Futtermittel steuern. Neue Lösungen finden aber nur Akzeptanz, wenn auch auf die Bedürfnisse der Landwirte Rücksicht genommen wird. So darf zum Beispiel die Milchleistung von Kühen nicht durch das neue Futter einbrechen. Deshalb machen wir viele Fütterungsversuche, auch im Rahmen meiner Doktorarbeit. Ich hatte untersucht, welchen Einfluss Luzernesilage, also eine Art Klee, als Futtermittel auf die Milchqualitäten von Kühen hat.
Im Forschungsteam seid Ihr fast nur Frauen. Hat das einen Grund oder machen die Männer was verkehrt?
(lacht) Einen Grund hat das nicht. Tatsächlich wird die Landwirtschaft eher den Männern zugeordnet. Das hat traditionelle Gründe. Die Hofnachfolgen gingen zum Beispiel an die ältesten männlichen Erben – oftmals auch heute noch. Auch im Studium hatte ich deutlich mehr Kommilitonen als Kommilitoninnen. Vielleicht ist das der Grund, warum ein Team, das fast nur aus Frauen besteht, auf den ersten Blick ungewöhnlich wirkt. Aber da gibt es einen Trend. Immer mehr Frauen setzen in der Branche Akzente und immer mehr Frauen studieren Agrarwirtschaft. Wenn wir als fast reines Frauenteam von gestandenen Landwirten die Rückmeldung bekommen, dass wir sehr gut organisiert sind, akribisch arbeiten und Durchhaltevermögen beweisen, dann nehmen wir das gerne hin. Ich sehe das nicht unbedingt als pauschales Kompliment für unser Geschlecht an. Wir versuchen, erfolgreiche Forschungsarbeit zu machen. Und wenn unsere Arbeit nebenher an der Sichtweise des einen oder anderen Kollegen kratzt, dann ist das gut so. Ich glaube, die Landwirtschaft hat schon lange verstanden, dass, wenn man die Leistungen von Frauen nicht anerkennt, das Potenzial der ganzen Branche künstlich begrenzt wird. Die Zukunft birgt große Herausforderungen. Wir brauchen nicht die besten Männer, sondern die besten Köpfe.
An unserer Hochschule gibt es viele großartige Wissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen. Auf unserer Seite WINGS - Frauen & MINT stellen wir einige ihrer Geschichten vor. Damit möchten wir auch andere Frauen bestärken, ihre Karriere in den MINT-Fächern, das heißt Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, zu starten.