Gute MINT-Lehre |

Mathe-Begeisterung statt Mathe-Trauma

Mit Mathe durch­starten

Mathe ist nur Theorie und macht keinen Spaß? Von wegen. Mit einem MINT-Studium kann man die Welt verändern, zum Beispiel als Klimaschützer oder Roboterbauer. Die TH Bingen hilft mit Vorkursen, Lücken aus der Schule zu schließen und den Einstieg in das Studium zu erleichtern. Doch auch ein Umdenken in der Gesellschaft ist gefragt.

Auf die MINT-Studierenden der TH Bingen warten gute Jobperspektiven: Mit ihren Kenntnissen und praktischen Erfahrungen aus dem Studium werden sie von Unternehmen dringend gesucht. Durch die Digitalisierung wächst der Fachkräftemangel weiter. Da passt es nicht, dass das Fach Mathe für viele Schülerinnen und Schüler ein Schreckgespenst ist. Woher kommt das schlechte Image der Mathematik? Und was können wir dagegen tun? Darüber diskutierten drei Vertreter, die das Fach in Schule und Hochschule unterrichten, im Gespräch mit der Allgemeinen Zeitung: Herbert Baaser, Professor für Technische Mechanik an der TH Bingen, Bernd Karst, stellvertretender Vorsitzender des Verbands Deutscher Realschullehrer, und Diplom-Mathematiker Alexandre Wolf, Ansprechpartner für die Vorkurse an der TH Bingen.

Mathematik – nur Zahlen?

Das Schulfach Mathe hat einen schlechten Ruf. Mathematik wäre nur etwas für Überflieger und reine Theorie heißt es unter Schülerinnen und Schülern oft. Studien belegen, dass Mathe zusammen mit Physik und Chemie in Deutschland das unbeliebteste Fach ist. „Das ist ein gesellschaftliches Problem“, sagte Professor Baaser. „Kinder bekommen sehr früh im Elternhaus, im Kindergarten oder der Schule vermittelt, dass Mathematik nicht leicht ist und keinen Spaß machen muss. Mathematik wird zu viel mit Rechnen und schwierigen Dingen verbunden.“ Vielmehr wäre es wichtig dem Nachwuchs zu zeigen, welchen Spaß Mathematik allein beim Blick in die Natur oder bei Kartenspielen machen könne, betonte er. Auch Karst sieht Probleme in der Erziehung, speziell von Mädchen: „Die Grundsteine werden im Elternhaus gelegt. Gerade Mädchen übernehmen dort Rollenklischees, weil die Mutter auch nicht so gut in Mathematik war.“ Erwachsene brüsteten sich teilweise damit, keine Mathematik zu können. „Wir leben in einem Land der Dichter und Denker, wo sprachliche Kompetenzen einen wesentlich höheren Stellenwert haben als beispielsweise die Mathematik“, bemängelte Karst. In der Schule sieht er, dass auch die Politik das Fach vernachlässigt. Nur vier Stunden Mathematik sind im Lehrplan pro Woche vorgesehen, hinzu kommen Unterrichtsausfälle und Lehrermangel. Dabei ist die Mathematik mit vielen Berufen verbunden. Karst betonte: „Wenn Jugendliche Berufswünsche äußern, ist ihnen gar nicht klar, dass alles mit der Mathematik zusammenhängt. Egal, ob sie Architekt oder ein erfolgreicher Facharbeiter werden wollen, brauchen sie Mathematik.“ 

 

 

"Kinder bekommen sehr früh im Elternhaus, im Kindergarten oder der Schule vermittelt, dass Mathematik nicht leicht ist und keinen Spaß machen muss."

- Dr. Herbert Baaser  | 

Professor für Technische Mechanik an der TH Bingen


Die Frustspirale

Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2016 geben Eltern in Deutschland pro Jahr 879 Euro für Nachhilfe aus. Spitzenreiter unter den Nachhilfefächern ist dabei Mathematik. Forscherinnen und Forscher beklagen, dass die Abiturientinnen und Abiturienten zu wenige Grundkenntnisse für ihr Studium mitbringen. Hochschulen müssten das wieder aufholen. Wolf hat in seinen Vorkursen an der TH Bingen direkten Kontakt mit den Studienanfängerinnen und –anfängern, die aus der Schule kommen. Auch er erlebt das häufig so. „Es sind große Lücken feststellbar – das ist offensichtlich. Das betrifft zum Teil die Grundrechenarten und das Wissen aus der Mittelstufe“, sagte Wolf. Probleme in Mathematik entstünden vor allem in der Mittelstufe. Da die Disziplin immer wieder auf Vorwissen aufbaue, käme es zu Lücken. Dies wiederum führe zu Blockaden. „Einige haben traumatische Erinnerungen an die Mathematik, weil sie an der Tafel vor der Klasse vorrechnen mussten und das in die Hose gegangen ist“, erzählte Wolf. „Die Studierenden sind durch ihre schlechten Erfahrungen in der Schule demotiviert. Sie sagen sich, dass sie Mathe früher nicht konnten und es jetzt immer noch nicht richtig können.“ Die Eigenmotivation spiele dabei eine entscheidende Rolle. „Wir müssen die Frustspirale umkehren", betonte Karst. „Unsere Einstellung selbst gegenüber Mathematik muss sich ändern, weil dadurch auch die Arbeitshaltung unserer Schüler sich verändern wird." Die TH Bingen blickt hier auf positive Zahlen: „Nur wenige brechen bei uns an der TH im Vorfeld ab. Viele entscheiden sich nach den Vorkursen für das Studium“, berichtete Wolf aus seiner Erfahrung.

Motivieren und begeistern

Baaser setzt bei der Motivation seiner Studierenden auf Unterstützung: „Es ist wichtig, auch kleine Lernfortschritte zu loben. Wir wissen alle aus der Psychologie: Das Verstärken, auch von Lernfortschritten, wirkt sich positiv auf das Lernverhalten aus.“ Worte wie „Ihr könnt das sowieso nicht“ seien demotivierend. Auch das Vorrechnen an der Tafel sei out. „Der Matheunterricht muss ein angstfreier Raum sein.“ Außerdem sprach er sich für einen Matheunterricht mit Gruppenarbeit und Dialog aus. Die Didaktik habe inzwischen einen höheren Stellenwert, stellte Karst als positive Entwicklung an den Schulen heraus. Dennoch betonte er: „Die Lehrerausbildung und -fortbildung muss ausgeweitet werden. Sie ist unzureichend.“ Schließlich geht es darum, die Schülerinnen und Schülern zu begeistern und zu zeigen, dass Mathe im Leben hilfreich ist. Damit Kinder Lust am Rechnen haben, braucht es alltagsnahen Unterricht. Dabei könne man überlegen, die Mathematiklehrenden für ein oder zwei Jahre in die Praxis zu schicken, schlug Baaser vor. „Sobald man den jungen Studierenden ein mathematisches Problem schildert und gleichzeitig einen Praxisbezug aufzeigt, verstehen sie die Inhalte viel besser“, weiß er aus seiner Erfahrung. Das geschieht auch in den Vorkursen an der TH Bingen, in denen Studierende zum Studienstart in Mathe fit gemacht werden. „Die Vorkurse helfen, die Motivation zu steigern. Viele entscheiden sich dann, definitiv beim Studium zu bleiben“, sagte Wolf.

"Wir müssen dem Fach Mathe ein besseres Image verleihen."

-  Bernd Karst | stellvertretender Vorsitzender des Verbands Deutscher Realschullehrer

Ins MINT-Studium starten

Die TH Bingen sieht sich schon lange in der Pflicht, einen Beitrag gegen das Mathe-Schreckgespenst zu leisten. „Wir versuchen den Übergang von Schule zu Hochschule zu ebnen, in dem wir eine Vorbereitung in Form von Vorkursen und Onlinekursen anbieten. Sobald das Semester angefangen hat, werden die Studierenden auch nicht alleine gelassen. Dann gibt es parallel zu den Mathematik-1-Kursen vorlesungsbegleitende Tutorien. Da können sich auch die leistungsschwachen Studierenden reinsetzen und letzte Lücken füllen“, erklärte Wolf. Aber auch schon während der Schulzeit engagiert sich die TH Bingen für Mathe-Begeisterung. So können Schulklassen zum Beispiel das MINT-Labor auf dem Campus besuchen und Mathe erleben, indem sie experimentieren und tüfteln. Studierende stehen bei Projekttagen für Schulen zur Verfügung. Es gehe darum, „Spaß und Freude am logischen Denken zu wecken“, erklärte Baaser. Auch Karst lobte die TH Bingen für ihre „hohe Kommunikation mit den Schulen“. Studien haben gezeigt, dass Kinder bis etwa zum zehnten Lebensjahr meist noch Spaß an der Mathematik haben. In der Grundschule gilt Mathe noch nicht als Albtraum. In den weiterführenden Schulen ändert sich das meist. Die TH Bingen will daher frühzeitig ansetzen und für Mathe nachhaltig begeistern, denn unsere Gesellschaft braucht Ingenieurinnen und Ingenieure. Mit ihrem mathematischen Know-how tragen sie zur Energiewende bei, machen unseren Alltag mit intelligenten Systemen leichter oder gestalten die Mobilität der Zukunft. Mit ihren Innovationen und Entwicklungen entscheiden sie damit die Zukunft. Nicht zuletzt kann Mathematik auch glücklich machen.

Warum nicht gleich ein MINT-Studium starten?

Vorkurse

Die Grundlagen eines naturwissenschaftlich-technischen Studiums sollten Sie nicht ausbremsen. Daher macht die TH Bingen Sie vor dem Studium fit in Chemie, Mathe­matik und Physik. Erfahren Sie mehr zu den Online- und Präsenzkursen: www.th-bingen.de/vorkurse

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