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Neue Wege in der Lehre

Studium und Lehre

Prof. Peter Leiß, Sie sind der Vizepräsident für Studium und Lehre und seit 2003 Professor an der TH Bingen. Hat sich die Studierendenschaft seitdem verändert?

Die Studierenden sind viel heterogener. Als Fachhochschule ist das für uns nichts Neues, denn schon immer hatten wir neben klassischen Abiturienten auch Erstsemester, die auf einem anderen Weg ihre Hochschulzugangsberechtigung erworben haben. Aber gerade in den letzten Jahren hat die Vielfalt immer stärker zugenommen. Das äußert sich im Lernverhalten, in der Mobilität, in der Kommunikation, der Digitalisierung, oder auch in der Erwartungshaltung.

Die Generation Y studiert jetzt, die ersten „Digital Natives“. Wie reagiert die Hochschule darauf?

Die Lehre muss sich die Frage stellen, ob man mit den bisherigen Methoden die Studierenden noch erreicht. Ein Beispiel: Schon vor über 2000 Jahren haben Mathematiker ihren Schülern den Stoff per Kreide und Tafel beigebracht. Es wird oft die Frage gestellt: Ist das denn noch zeitgemäß?

Und – ist es zeitgemäß?

Nun ja, schaut man genauer hin, so ist die Lehre eines Professors nicht immer gleich Lehre. Je nach Fach und Anforderung wählt er verschiedene Methoden aus. Dafür ist er berufen und das entspricht auch dem grundgesetzlichen Prinzip der Freiheit von Lehre und Forschung. Getreu dem Motto „Das eine tun und das andere nicht lassen“ stellen wir fest, dass immer mehr Professorinnen und Professoren ganz unterschiedliche Lehrformen ausprobieren. Wichtig ist dabei, die Studierenden aktiv einzubeziehen.

Wie lehren Sie denn selbst?

Ich selbst liebe es, in meiner Vorlesung „Grundlagen der Elektrotechnik“ an die großen Schiefertafeln zu schreiben. Dabei finde ich, entstehen der richtige Rhythmus und die passende Schreibgeschwindigkeit. So kann ich einfach und direkt den Dialog mit den Studis eröffnen und gemeinsam an der Tafel Ergebnisse entwickeln und diskutieren. Ganz anders sieht es in meiner Vorlesung „Automobilelektronik“ aus. Dort benötige ich eine starke Visualisierung und wähle dann die Power-Point-Präsentation. Sie sehen: ein und derselbe Professor, aber ganz unterschiedliche Konzepte.

Ist die Hochschule für die Digitalisierung denn gut aufgestellt?

Mit unserem technischen Portfolio sehe ich uns bestens für die Digitalisierung gerüstet. Dazu gehören neuere Studiengänge wie Mobile Computing oder neue Inhalte in den bestehenden Studiengängen. Zum Beispiel das „Internet der Dinge“ in der Produktionsautomatisierung oder der vermehrte Einsatz von Simulationen – Stichwort „Industrie 4.0“. Das zeigt ganz deutlich, dass wir unsere Studierenden zielgerichtet auf eine zunehmend digitalisierte Welt vorbereiten. Wir haben außerdem neue Stellen im Bereich E- und Blended-Learning geschaffen. Mit dem im letzten Jahr ins Leben gerufenen „Runden Tisch Digitalisierung in der Lehre“ haben wir überdies ein Dachformat geschaffen, bei dem viele verschiedene interne Weiterbildungsangebote eingebunden sind. Beispielhaft sei hier der Tag der Lehre genannt, der dieses Jahr erstmalig stattgefunden hat.

"Das eine tun und das andere nicht lassen..."

- - Professor Dr.-Ing. Peter Leiß  | 

Vizepräsident für Studium und Lehre


Wie spiegelt sich die Digitalisierung denn speziell in der Lehre?

Hier bauen wir zum Beispiel auf dem virtuellen Campus Rheinland-Pfalz (vcrp) auf. Mit dem Learning Management System OpenOLAT entwickeln viele Kolleginnen und Kollegen ganz neue digitale Formate, wie etwa Screencasts, Einbeziehung von Audience Response Systems (ARS), virtuelle Workshops, didaktische Netzwerke in PC-Poolräumen oder auch E-Klausuren.

Und was ist noch zu tun?

Nun ja, wir alle arbeiten ständig an Verbesserungen für unsere Studierenden. Dazu zählen: Einstiegskurse in Mathematik speziell für beruflich Qualifizierte, ein ganz neues Blended-Learning- Universum zur Aufarbeitung individueller Defizite in Chemie und Mathematik, aktive Unterstützung im Bereich der Kompetenzentwicklung, Studienerfolgsmessungen mittels neuronaler Netze, Ausbau und Schulung der Tutoren, Ausbau der Bibliothek mit hohen Investitionen in E-Books, um nur die wichtigsten zu nennen…

Was darf man denn an neuen Studiengängen erwarten?

Ich glaube, dass die Zeiten der stürmischen Neuentwicklung von Studiengängen so langsam in eine Konsolidierungsphase kommen. Auch, weil vielerorts Kapazitätsgrenzen erreicht sind. Gleichzeitig gilt es, die bestehenden Studiengänge flexibler zu gestalten. Wir wollen der zunehmenden Vielfalt der Lebensentwürfe unserer Studierenden gerecht werden. Dies ist einfach eine Realität, der wir uns stellen müssen.

Was heißt das konkret?

Wir wollen ein breites Angebot von digitalen Lerninhalten zur Verfügung stellen, die über das Skript im PDF hinausgehen, damit werden auch „fernstudiumsähnliche“ Lehr- und Lernformen möglich, die aus verschiedenen Gründen bereits von unseren Präsenzstudierenden nachgefragt werden. Unsere überaus liberalen Prüfungsordnungen lassen  übrigens ein in Eigenregie zusammengestelltes „Teilzeitstudium“ jetzt schon zu. Außerdem werden wir die dualen Modelle innerhalb der bestehenden Studiengänge ausbauen. Dazu gehören die klassischen dualen, wie ausbildungs- und berufsintegrierte Varianten, sowie das immer stärker nachgefragte praxisintegrierende Modell. Zum Wintersemester 2017/18 sind wir in diesem Bereich mit gleich vier Studiengängen neu gestartet.

Was kommt auf die Lehre der Zukunft Ihrer Meinung nach zu?

Meine Einschätzung: Es wird nicht zu disruptiven Veränderungen kommen und es gibt keinerlei Anlass, jeden Stein umzudrehen. Veränderungsprozesse haben aber längst begonnen. Somit sehe ich uns mittendrin in einer kontinuierlichen Entwicklung, die von der Hochschulleitung unterstützt wird und die zu unserer MINT-Hochschule passt. Die Lehre ist nun mal die Kernkompetenz, für die unsere Hochschule steht: für eine exzellente Ausbildung, die sich an der Praxis und den Anforderungen der Wirtschaft orientiert. Und man sollte nie vergessen: Letztlich ist es immer das Kollegium, das alle Veränderungen mittragen, mitmachen und mitgestalten muss. Hier habe ich volles Vertrauen in unser Team.

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