Success Story
„Junge Frauen brauchen Vorbilder in Führungspositionen!“
Julia Schnitzler – auf Reisen mit der Kanzlerin
An der Spitze eines Familienunternehmens
Julia Schnitzler gehört zu den Underdogs: Frauen in Führungspositionen und das zudem in einer Männerbranche. Die 48-Jährige führt das Familienunternehmen „Strassburger Filter“ seit 2005 als alleinige Geschäftsführerin. Ihr Urgroßvater baute 1953 die Firma, die maßgeschneiderte Filtrationslösungen anbietet, im rheinhessischen Westhofen auf. 30 Mitarbeiter arbeiten derzeit für das mittelständische Unternehmen. „Mein Vater hat mir das sofort zugetraut. Ich bin quasi im Unternehmen aufgewachsen“, erzählt sie. „Außerdem bin ich nicht direkt Geschäftsführerin geworden, nachdem ich zurück ins Unternehmen kam, sondern habe erst ein paar Jahre mitgearbeitet. Ich hatte also Zeit mich einzufinden.“ Auch wenn sich die Ingenieurin gut auf Ihre Aufgabe vorbereitet fühlte, ist „der Druck für ständigen Auftragseingang, Umsatz und die angestellten Mitarbeiter zu sorgen permanent vorhanden. Niemand gibt einem Sicherheit.“ Doch die Leitung eines Familienunternehmens habe auch viele Vorteile. Beispielsweise, dass sie selbständig entscheiden kann und niemandem Rechenschaft schuldig ist. Und die Firma läuft gut unter der ersten Geschäftsführerin. Sie hat die Produktpalette erweitert und dank ihrer Bestrebungen auf dem asiatischen Markt Fuß zu fassen, seit 2012 sogar eine Niederlassung in Shanghai. Die Vollblut-Unternehmerin weiß: Wer sich ausruht, kommt im umkämpften internationalen Wettbewerb nicht voran. Deshalb wird unter ihrer Führung kontinuierlich an neuen Produkten geforscht. „Man muss immer an Innovationen arbeiten, damit man nicht von anderen Unternehmen überholt wird. Der Motor muss immer an bleiben.“

Eine fundierte Ausbildung führt zum Erfolg
Die Frage, ob sie es schwerer in dieser männerdominierten Branche gehabt hat als ihr Vater, verneint die Ingenieurin entschieden. „Wenn man fachlich mithalten kann, ist das kein Problem.“ Vor dem Hintergrund, eventuell einmal das Familienunternehmen zu übernehmen, entschied sie sich deshalb nach der Schule für einen ingenieurwissenschaftlichen Studiengang an der TH Bingen. Besonders die praxisnahe und kurze Studiendauer hat ihre Entscheidung für Bingen bestärkt. Außerdem hat schon ihr Vater hier studiert.
"Wenn ich ein technisches Produkt [...] verkaufen will, muss ich wissen wie es funktioniert und gefertigt wird."
Von 1988 bis 1992 studierte sie Verfahrenstechnik mit Schwerpunkt Apparatebau. Die Zeit hat sie als gut organisiert, intensiv und sehr kompakt in Erinnerung. „Wenn ich ein technisches Produkt bzw. Investitionsgüter verkaufen will, muss ich wissen wie es funktioniert und gefertigt wird. Mit einem technischen Hintergrund kann ich das besser rüberbringen“, sagt sie heute über ihre Entscheidung für einen Ingenieurstudiengang. Daher legt sie besonders jungen Frauen ans Herz, „dass man mit einem technischen Studiengang sehr viele Möglichkeiten hat und seine eigenen Vorurteile überdenken sollte.“ Auch wer ins Management möchte, hat mit einem Ingenieurstudiengang oft bessere Chancen.
Unterwegs mit der Bundeskanzlerin
Als Absolventin hätte sich Julia Schnitzler nie erträumt, die Bundeskanzlerin einmal auf einer Reise zu begleiten. „Aber man baut sich im Laufe der Berufstätigkeit ein Netzwerk auf und kann so Ideen entwickeln, wo man hinmöchte.“ Weil sich die Unternehmerin für den asiatischen Markt interessierte, bewarb sie sich offiziell für die Teilnahme an der Reise der Wirtschaftsdelegation nach China. „Ich hatte Glück, dass ein DAX Vorstand kurzfristig abgesprungen ist“, erzählt sie. Dieses Glück führte sie im Februar 2012 erstmals Seite an Seite mit Angela Merkel nach China. „Es ist beeindruckend, der Bundeskanzlerin beim Arbeiten zuschauen. [...] Und natürlich ist es eine Ehre, Deutschland vertreten zu dürfen.“ Als Teil einer 20-köpfigen Wirtschaftsdelegation reiste sie in die Regionen Beijing sowie Guangzhou und traf dort die wichtigsten Unternehmer und Politiker Chinas, unter anderem den chinesischen Premierminister Wen Jiabao. „Das ist ein guter Einstieg, wenn man in einem neuen Land Fuß fassen möchte, man findet leicht alle wichtigen Ansprechpartner und lernt viele interessante Menschen kennen.“ Für die 48-jährige war die Reise aber auch eine Initialzündung. „Mein Ziel war schon immer, in China Fuß zu fassen, aber ich wusste nicht genau wie. Ich konnte die Gespräche mit den anderen Unternehmern nutzen, um den Markteintritt optimal vorzubereiten. Und es hat mir natürlich auch Mut gemacht. Das braucht man manchmal auch als Unternehmer.“ Mittlerweile hat sie eine Niederlassung in Shanghai gegründet. Was besonders wichtig sei, ist der Imageschub, der von so einer Reise ausgeht. Gemeinsame Fotos mit Angela Merkel und dem damaligen chinesischen Premierminister wirkten noch Jahre später vertrauensbildend auf chinesische Kunden.
Im März 2015 durfte Julia Schnitzler die Kanzlerin ein zweites Mal begleiten. Diesmal führte die Reise nach Japan. Auch hier konnte sie wichtige Kontakte zur japanischen Pharmaindustrie aufbauen. Zwei weitere Reisen gingen an der Seite des Bundespräsidenten Joachim Gauck nach Südkorea und Indien. Diese Möglichkeit, neue Märkte zu erschließen und interessante Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft kennenzulernen, will Julia Schnitzler auch in Zukunft nutzen. „Ich hoffe, dass noch weitere Reisen kommen. Es ist schön, wenn ein kleines Unternehmen mitreisen darf. Gerade in Anbetracht dessen, dass der deutsche Mittelstand im Ausland einen extrem guten Ruf hat, finde ich es auch angebracht und gerechtfertigt.“ Das sieht die Bundeskanzlerin wohl genauso: Julia Schnitzler hat gerade die Einladung bekommen, sie im Juni 2016 erneut nach China zu begleiten.

Frauen in der Technologiebranche
Als erfolgreiche Chefin eines Technologieunternehmens steht Julia Schnitzler gleich in mehrfacher Hinsicht für eine Minderheit. Denn der Frauenanteil in Führungspositionen von Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie liegt bei nur 10 Prozent [1]. Auch abseits der Führungsebenen sind Frauen Mangelware: in technischen Berufen liegt ihr Gesamtanteil bei etwa 15 Prozent und in MINT-Studiengängen sind nur 28 Prozent der Studierenden weiblich. [2] „Junge Frauen brauchen Vorbilder in Führungspositionen, weil sie sich noch entwickeln,“ betont die erfolgreiche Geschäftsführerin. Daher findet sie auch die Frauenquote sinnvoll: „Es gibt sonst keinen Druck, Frauen in sichtbare Positionen zu bringen. Frauen müssen hier mehr in Erscheinung treten.“ Eine Chance sind kleine und mittelständische Unternehmen: Laut Arbeitgeberverband Gesamtmetall liegt hier der Anteil von Frauen in Führungspositionen deutlich höher als in großen Unternehmen. Offensichtlich gelingt in den zumeist inhabergeführten Betrieben die Einbindung der Frauen – auch aus der Inhaberfamilie – besser als in großen Unternehmen, vermutet der Verband.
Julia Schnitzler ist ein Paradebeispiel dafür, dass Frauen sowohl in Technologiebranchen als auch als Führungspersönlichkeit absolut überzeugen können. Unter ihrer Führung erweiterte das Familienunternehmen seine Produktpalette und agiert nun auch in Asien sowie Amerika. Mit einer gezielten Förderung und den richtigen Vorbildern, können mehr Frauen in MINT-Berufen durchstarten, ist sie sich sicher.
Einmal Rheinhessen, immer Rheinhessen
Die Ingenieurin führt die Geschäfte von "Strassburger Filter" im rheinhessischen Westhofen, lebt allerdings seit vielen Jahren in Mainz, mittlerweile in Gonsenheim. Hier zieht die Mittvierzigerin neben der Unternehmensleitung drei Kinder groß. Eine Herausforderung sei das schon manchmal. „Natürlich muss ich meine Zeit aufteilen und effizient arbeiten. Aber es ist zu schaffen.“ Julia Schnitzler ist Familienmensch durch und durch. Daher wollte sie langfristig auch immer in der Region bleiben und entschied sich, das Familienunternehmen zu übernehmen. Ihr enges Verhältnis zu den Eltern ist gleichzeitig auch eine absolute Notwendigkeit, ansonsten könne man gar nicht gemeinsam in einem Unternehmen arbeiten. Aber auch eigene Erfahrungen sind wichtig für Julia Schnitzler. „Nach der Schule war ich ein Jahr in Paris, um Französisch zu lernen und die Welt kennenzulernen und habe nach dem Studium zunächst sieben Jahre in Köln gelebt.“ Doch um dauerhaft an einem anderen Ort zu leben, schätzt sie das Leben in Rheinhessen zu sehr „Hier herrscht ein gutes Lebensgefühl, man kann hier alles erreichen!“
„Hier herrscht ein gutes Lebensgefühl, man kann hier alles erreichen!“

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